200 Tage Jamaika – Grüne Halberg sehen durchwachsene Bilanz

Nach deutlich mehr als 200 Tagen Jamaika-Koalition und 100 Tagen Amtszeit der Bürgermeisterin ziehen die Halberger Grünen eine erste Bilanz der grünen Beteiligung an diesem Bündnis.

Aus Sicht der GRÜNEN im Saarbrücker Osten sei der gesamte Stadtrat mit der Ausrufung des Klimanotstands ja furios gestartet. Der Beschluss sei zwar bezüglich seiner politischen Folgewirkungen nicht überzubewerten und vermutlich eher der ungeklärten Situation zu verdanken, welche Mehrheit in Zukunft in Saarbrücken die Weichen stelle. Im Juni 2019 wollte es sich wohl nach dem überraschend guten Wahlergebnis der Grünen keiner mit ihnen verscherzen. Die damals geäußerte Befürchtung, dass dieser Beschluss rein deklamatorischen Charakter habe und sich nicht in der praktischen Kommunalpolitik niederschlagen werde, sei immer noch nicht widerlegt. Fast ein Jahr nach dem Beschluss liege bedauerlicherweise noch immer kein Aktionsplan vor, mit dem deutlich gemacht werden könne, was die Stadt Saarbrücken konkret zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen gedenke.

An dieser Stelle dürfe dann in der Bilanz auch nicht der Hinweis auf die geplante Rodung eines Teils des Gersweiler Waldes fehlen. Die betreffende Firma habe der Politik deutlich gemacht, dass sie sich für irgendwelche Einwände nicht interessiere und die Planungen unverändert fortsetzen werde. Die Verwaltungsvorlage zum Bebauungsplan lasse denn auch keinerlei ernsthafte Auseinandersetzung mit den im Vorfeld geäußerten Bedenken erkennen. Es sei der Eindruck entstanden, dass es den handelnden Personen im Rathaus offenkundig nur noch um gesichtswahrende Formulierungen und kosmetische Scheinzugeständnisse gegangen sei. Gerade wenn man die Angelegenheit realpolitisch betrachte und akzeptiere, dass sich die Firma gegen die Stadt durchsetzen werde, stelle sich verschärft die Frage, ob die Grünen einfach nur eingeknickt seien oder ob es handfeste Zugeständnisse in anderen Fragen gegeben habe. Da diesbezüglich nichts bekannt geworden sei, müsse befürchtet werden, dass die Zustimmung zum Nulltarif erfolgt sei.

Die drei Jamaika-Fraktionen forderten in ihrem Haushaltsantrag im klassischen Oppositionsduktus die Verwaltung auf, „zeitnah ein Klimaschutzkonzept mit konkreten CO2-Einsparzielen für die verschiedenen Bereiche (…) auf den Weg zu bringen.“ Daraus ergibt sich, so die Halberger Grünen, ernsthaft die Frage, ob denn den Jamaika-Fraktionen wirklich bewusst sei, dass ihre Oppositionszeit vorbei sei und sie jetzt über ihre Vertreter*innen die Verwaltung zu steuern hätten. Es müsse – leider immer noch – abgewartet werden, ob die verantwortlichen Dezernent*innen ihre Führungsaufgabe wahrnehmen und der Verwaltung präzise Zielvorgaben machen würden. In diesem Fall wäre die Öffentlichkeit an definierten Prioritäten sehr interessiert. Der Verkehrsentwicklungsplan mache deutlich, dass die Erstellung eines Konzeptes ohne Aktionsplan nicht ausreichend sei. Wichtig sei auch die Frage, welche personellen Konsequenzen die politisch Verantwortlichen aus diesem Auftrag ziehen würden. Hierbei könnte an Personalaufstockungen gedacht werden oder entschieden werden, dass „die Verwaltung“ die Aufgabe mit dem bestehenden Personal zu erledigen habe. Und nicht zuletzt müsse auch die Frage beantwortet werden, wie die Umsetzung des Klimaschutzkonzepts finanziert werden solle. Aus Sicht der Halberger Grünen sind trotz der absehbar starken Auswirkungen des Wirtschaftseinbruchs durch die Corona-Krise auf die finanzielle Situation der Landeshauptstadt auch wirksame, aber finanziell kaum aufwändige Maßnahmen denkbar, z.B. ein Verbot von Plastikgeschirr im öffentlichen Raum und die bewusste Reduktion der Mäharbeiten, um den Pflanzen in öffentlichen Parks eine bessere Anpassung an die Klimaveränderung zu ermöglichen.

Der abgeschlossene Koalitionsvertrag mit CDU und FDP enthält nach Meinung des OV Halberg eine Vielzahl von unklaren Formulierungen. Hinzu komme, dass auch ein unterzeichneter Koalitionsvertrag solange nichts wert sei, wie die grüne Stadtratsfraktion - wie in den letzten beiden Legislaturperioden - in Konflikten häufig klein beigebe. Der Beginn dieser Legislaturperiode gebe wenig Anlass zur Hoffnung, dass sich daran viel ändern werde.

Das Kapitel Verkehrswende bedürfe der besonderen Betrachtung. Die Zuständigkeit für derartige Maßnahmen liege bei der Verwaltung und damit letztlich beim Oberbürgermeister. Beschlüsse des Stadtrats hätten da eher den Charakter einer Resolution. Da der OB den Koalitionsvertrag in seiner Eigenschaft als damaliger CDU-Fraktionsvorsitzender mit unterzeichnet habe, sei die Erwartung groß gewesen, dass er sich auch daran gebunden fühle. Bisher müsse man konstatieren, dass die Zusagen offenkundig eingehalten würden und anders als bei anderen Themen die Vereinbarung tatsächlich umgesetzt würde. Dass immer noch eine nachvollziehbare Vision fehle, wie und in welchen Etappen z.B. ein sicheres und leistungsfähiges Radwegenetz entstehen könne, müsse dennoch angemerkt werden. Da diese Forderung im Wahlprogramm der CDU stand, seien die Halberger Grünen optimistisch, dass hier weitere Fortschritte erzielt würden.

Es ginge allerdings nicht nur um das Abarbeiten von Vereinbarungen, sondern auch um sinnvolle Weiterentwicklungen. Im Stadtrat scheine für den unabhängigen politischen Betrachter inzwischen die FDP die Rolle des innovativen Ideengebers für die Umsetzung der Verkehrswende übernommen zu haben. Bei der grünen Stadtratsfraktion sei dagegen eher eine ausgeprägte Neigung zu großen und plakativen Konzepten festzustellen, die möglichst erst in späteren Legislaturperioden zu konkreter Politik werden könnten.

Sowohl die grünen Dezernent*innen als auch die grüne Stadtratsfraktion tauchten – bis auf die Ausnahme Abholzung des Gersweiler Waldes – in der öffentlichen Diskussion kaum auf. Hier gelte es zu beachten, dass bei den Wähler*innen für die Akzeptanz von Maßnahmen geworben werden müsse. Das Kommunalwahlergebnis 2019 sei aufgrund einer günstigen bundespolitischen Gesamtstimmung zustande gekommen und habe nichts mit einer überzeugenden Politik zu tun. Insofern sei bei weiterer Passivität nicht mit einer Wiederholung zu rechnen.

zurück

GRUENE.DE News

<![CDATA[Neues]]>